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Titel
Die Religion der Feldherren. Vermittlung und Inszenierung des Krieges in der späten römischen Republik


Autor(en)
Albrecht, Janico
Erschienen
Heidelberg 2020: J.B. Metzler Verlag
Anzahl Seiten
IX, 387 S.
Preis
€ 54,99
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Simon Lentzsch, Institut für Antike und Byzanz, Université de Fribourg

Das weite Feld der römischen Religion gibt gerade in den letzten Jahren Anlass zu sowohl einer Reihe von instruktiven Einzelstudien als auch weiter ausgreifenden Synthesen, die zeigen, wie sehr sich das Bild der Religion der Römer in den letzten Jahrzehnten in der Forschung gewandelt hat. Diese lebendige Forschungslandschaft profitiert nicht nur von einem erfreulichen Zuwachs der Quellenbasis, sondern auch von einer Erweiterung von Fragestellungen und Perspektiven, in denen diese Quellen zwar nach wie etwa aus sakralrechtlichem Interesse heraus untersucht werden, jedoch auch mit weiteren Ansätzen aus Forschungsfeldern wie Geschichts- und Memorialkulturen, Forschungen zur politischen Kultur und anderen Themenfeldern verbunden werden.1 In diese neueren Forschungsarbeiten reiht sich auch die hier zu besprechende Studie Janico Albrechts ein, die aus seiner im Jahr 2019 eingereichten Erfurter Dissertation hervorgegangen ist.

Treffender als der Haupttitel fasst der Untertitel das eigentliche Thema des Buches zusammen. Dieses besteht in der Frage nach der Bedeutung religiöser Kommunikation in der Vermittlung von Krieg in der politischen Kultur Roms, vor allem in der Kommunikation zwischen Feldherren und ihren Soldaten sowie dem stadtrömischen Publikum. Als Quellenbasis dienen vor allem historiographische Quellen der frühen und hohen Kaiserzeit sowie die Feldherren-Biographien Plutarchs. Eine Sonderstellung nehmen die Schriften von Feldherren selbst ein, wobei in großem Umfang bekanntlich allein die Caesars direkt überliefert sind, auf andere (vor allem die Sullas) meint Albrecht indes recht zuversichtlich durch die spätere Überlieferung zugreifen zu können.

Nach einer Thema und Quellenlage vorstellenden Einleitung führt Albrecht seine Untersuchung in acht Kapiteln durch. Im ersten („Die Religion der Feldherren“, S. 17–59) beschäftigt sich Albrecht vor allem damit, wie Feldzüge und Schlachten dem (stadt-)römischen Publikum vermittelt werden konnten und welche besonderen Kommunikationskonstellationen (etwa im Rahmen des Triumphzuges) dabei zu berücksichtigen waren. Zu Recht betont Albrecht, dass „die aus der persönlichen Beanspruchung göttlicher Aufmerksamkeit hervorgehende Autorität […] sich nur begrenzt teilen“ ließ (S. 50). Gerade für Feldherren eröffneten sich so große Möglichkeiten, denn hier agierten sie allein vor dem Heer und konnten sich dort dementsprechend inszenieren. Im gleichen Maße eröffnete dies das Feld für Konflikte innerhalb der Senatsaristokratie.

Diese Ergebnisse aufgreifend widmet Albrecht sich dann der „imperatorische[n] Religion als Subjekt der Historiographie“ (S. 61–102) und arbeitet anhand historiographischer Darstellungen der Devotionen der Decii Mures in den Latiner- bzw. Samnitenkriegen sowie der (Selbst-) Inszenierung des P. Cornelius Scipio Africanus im Zweiten Punischen Krieg heraus, welche zentrale Rolle die religiöse Kommunikation mit Soldaten und Standesgenossen in diesen Episoden spielte und wie diese wiederum in den literarischen Hauptquellen dargestellt und gedeutet wird. Dies ist zwar weitgehend nachvollziehbar gehalten, indes fällt auf, dass Albrecht eine ganze Reihe wichtiger Arbeiten zu diesen Episoden, besonders zum livianischen Geschichtswerk, hier nicht berücksichtigt hat, was seine Ausführungen sicher noch hätte unterstützen und ergänzen können.2

Die vier folgenden Kapitel bilden in den Augen des Rezensenten dann das eigentliche Zentrum der Untersuchung. Hier unterzieht Albrecht die zuerst religiös aufgeladene (Selbst-) Inszenierung dreier der einflussreichsten Politiker und – eben – Feldherren der späten Republik einer eingehenden Betrachtung, und zwar die von L. Cornelius Sulla (S. 103–152), Cn. Pompeius Magnus (S. 153–196) und C. Iulius Caesar (S. 197–243). Ein hieran anschließendes Kapitel (S. 245–295) erweitert diese Analyse chronologisch auf die Generation der „Erben Caesars“ (und im geringeren Maße auf die Perspektive der „Caesarmörder“).

Im Sulla gewidmeten Abschnitt untersucht Albrecht unter anderem, wie dieser „außergewöhnliche[n] Inszenierungen, insbesondere religiöser Art“, die sich auf seine herausgehobene Person konzentrierten, nutzte, um seine eigene Machtstellung abzusichern. Dabei habe es ihm geholfen, einen permanenten Kriegszustand aufrechtzuerhalten, in dem er in seiner Rolle als imperator und in engem Bündnis mit seinen Soldaten habe auftreten können. An diese habe sich seine religiöse Inszenierung auch primär gerichtet (vgl. S. 108). Albrecht untersucht zudem die Fragmente der Memoiren Sullas und arbeitet daran heraus, wie Sulla seine Rolle als Feldherr gerade in Verbindung mit seiner Kommunikation mit dem Göttlichen und der damit einhergehenden religiösen Inszenierung seiner eigenen Person ausfüllte.

Im Pompeius-Kapitel geht Albrecht von einer oft behandelten Episode aus, in der Pompeius, der zu diesem Zeitpunkt noch kein Senator war, im Rahmen der transvectio equitum verkündete, er habe alle Kampagnen absolviert, die man von ihm als jungem wehrpflichtigem Mann erwartete – und zwar unter seinem eigenen Kommando. Diese Passage nutzt Albrecht als Anlass, um die religiöse Dimension des Rituals zu untersuchen. Die dann folgende genaue Analyse der Darstellung dieses Rituals ist zwar interessant und aufschlussreich, führt aber doch auch ein wenig weit vom zentralen Thema ab und hätte vom Autor vielleicht eher in einem separaten Beitrag veröffentlicht werden können. Auch die weiteren Abschnitte des Pompeius-Kapitels gehen recht wenig auf religiöse Aspekte ein, bieten jedoch zahlreiche interessante und einsichtige Beobachtungen zur (Selbst-) Inszenierung des Pompeius als in vieler Hinsicht außergewöhnlichem Feldherrn, auch in seiner Kommunikation mit den Soldaten sowie in Hinsicht auf sein stets schwieriges Verhältnis zum Senat.

Im Kapitel zu Caesar liegt ein Schwerpunkt auf einer genauen Untersuchung der Commentarii Caesars. In diesen wird religiöse Kommunikation jedoch gerade nicht besonders in den Vordergrund gestellt. Dies lasse sich durch Caesars Ziel erklären, in seinem Bericht als rational handelnder und effektiver Heerführer zu erscheinen. Als solcher habe er sich gegenüber den Soldaten eben nicht einer religiös unterstützten Kommunikation bedient, sondern eher auf Distanz zu diesen geachtet – auch um sich von Sulla abzugrenzen (vgl. S. 241).

Ausgehend von der „religiös inszeniert[en]“ (S. 246) Rede des M. Antonius nach Caesars Ermordung an die Bevölkerung Roms fragt Albrecht im folgenden Kapitel nach den Publika der Bürgerkriegsfeldherren und den Bedingungen der religiösen Kommunikation in dieser bewegten Epoche, vor allem in Hinsicht auf die Interaktion mit den Soldaten. Besondere Beachtung erfährt dabei das Motiv der Rache und dessen religiöse Aufladung, die zum einen in dem sich rasch fortentwickelnden Kult für den Divus Iulius zum Ausdruck kam, zum anderen in einer Reihe von besonders brutalen Episoden des Krieges, die in ihrer Historizität im Einzelnen umstritten sind. Unabhängig von der Frage der Glaubwürdigkeit von Teilen der Überlieferung belege der „teils grausame Umgang mit den Feinden“, indes, „wie attraktiv das religiöse Rachemotiv für legitimatorische Ausgestaltung beider Seiten“ gewesen sei (S. 280).

In einem abschließenden „Ausblick auf die Kaiserzeit“ (S. 297–316) betrachtet Albrecht unter anderem, wie die Monopolisierung von Triumphen und anderen militärischen Ehrungen, Entwicklungen in der Organisation und Kontrolle des Heeres sowie das Verfassen von autobiographischen Schriften durch Kaiser, Legaten und andere prominente Senatoren die Kommunikation über den Krieg veränderten. Auch hier finden sich zahlreiche instruktive Gedanken, die teilweise jedoch, wie bereits in anderen Abschnitten (vgl. oben) durchaus recht weit vom eigentlich zentralen Gegenstand der religiös aufgeladenen Kommunikation fortführen. Ein Fazit (S. 317–329) sowie ein Anhang, bestehend aus jeweils sorgfältig erstellten Quellen- und Literaturverzeichnissen und einem allgemeinen Register sowie einem Index Locorum bilden den Abschluss des Bandes.

Zusammengefasst hat Albrecht eine immens gedankenreiche Studie vorgelegt, in der es ihm insgesamt gelingt, die Bedeutung der vielleicht nicht immer angemessen berücksichtigten religiösen Dimension der Kommunikation zwischen Feldherren und ihren unterschiedlichen Publika darzulegen. Manche (Unter-) Kapitel führen dabei etwas weit von diesem zentralen Thema weg, in anderen Abschnitten überrascht die fehlende Konsultation für das Themenfeld eigentlich zentraler Studien. Auch diese Kapitel bieten jedoch instruktive Gedanken und Ansätze, die – wie Albrechts Buch insgesamt – Forschenden zur Religion und politischen Kultur der späten Republik und frühen Kaiserzeit sowie zu einer erweiterten römischen Militärgeschichte zur Lektüre empfohlen seien.

Anmerkungen:
1 Jeweils mit weiteren Hinweisen: Mary Beard / John North / Simon Price (Hrsg.), Religions of Rome. A Sourcebook, 2 Bände, Cambridge 1998; Bernhard Linke, Antike Religion (Enzyklopädie der griechisch-römischen Antike; 13), München 2014; Jörg Rüpke, Pantheon. Geschichte der antiken Religionen, München 2016.
2 Etwa zu den Decii Mures u.a. Stephen Oakley, A Commentary on Livy. Books VI–X. Volume II. Books VII–VIII, Oxford 1998, S. 477–486; Uwe Walter, „Ein Ebenbild des Vaters“. Familiale Wiederholungen in der historiographischen Traditionsbildung der römischen Republik, in: Hermes 132 (2004), S. 406–425, hier bes. S. 418–420.

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